Theologische Anliegen
Geschichtlichkeit
Geschichtliches Gewordensein und historische Erklärbarkeit aller Wirklichkeit, daher Skepsis gegenüber Wundern oder Offenbarung; alles ist daher relativ bzw. relativierbar.
Systemgedanke
Die Erscheinungen und geschichtlichen Ausformungen geistigen Lebens sind nicht ohne eine dahinter liegende Idee, die den inneren Zusammenhang schafft, zu verstehen (weiterführende Informationen zur .
Kritische Methode
Über die reine Feststellung Analyse des überlieferten hinaus methodische Distanz und Frage nach dem Ort im Verlauf der Geistesgeschichte; keine Anerkennung allgemein verbindlicher Autoritäten (z.B. Bibel oder kirchliche Lehre); allerdings Frage nach objektiven Kriterien einer genuin wissenschaftlichen Methodik.
Nachwirkung
Frage nach Zusammenhängen. In der geschichtlichen Betrachtung geht es nicht mehr nur um punktuelle Teilaspekte und eine lose Anordnung von Fakten, sondern um geistige und historische Zusammenhänge. Allerdings hat sich die spätere Kirchengeschichtschreibung und Bibelwissenschaft nicht die an Hegels Dialektik angelehnte Schematisierung und Systematisierung geschichtlicher Entwicklungen zu eigen gemacht.
Historische Kritik
Die jüngere Tübinger Schule Baurs und seiner Anhänger hat die Einsicht in die historische Relativität und Erklärbarkeit, das möglichst präzise Hinsehen und die methodische Skepsis gegenüber überlieferten Ansprüchen und Traditionen zum bleibenden Ausweis wissenschaftlich verantworteter Bearbeitung von Quellen gemacht. Die einzelnen Ergebnisse und Schlussfolgerungen Baurs bleiben allerdings umstritten und sind z.T. überholt. Das deutet die Grenzen der durch historisch-kritische Methodik gewonnenen Erkenntnisse an.
Beschreibung in der Sekundärliteratur
Friedrich Mildenberger (* 1929) (Geschichte der deutschen evangelischen Theologie im 19. und 20. Jahrhundert. – Theologische Wissenschaft ; 10. – Stuttgart: Kohlhammer, 1981. – S. 140-143) spitzt die Anliegen Ferdinand Christian Baurs auf sein Geschichtsverständnis zu und meint, dass man ihn „mit einigem Recht einen theologischen Hegelianer nennen” könne (S. 140). Wichtig ist demnach v.a. die Frage nach dem geschichtlichen Zusammenhang, nach dem übergreifenden Gedanken, nach dem Konnex des Allgemeinen und Besonderen, dem „Sinnzusammenhang, der die individuellen Interessen übergreift” (S. 141). Die Idee, die sich in der Kirche verwirklichen soll, ist diejenige der Einheit Gottes und des Menschen.
Gegen den Pragmatismus der rationalistischen Geschichtsschreibung, der in dem Nebeneinander des Individuellen und Subjektiven aufgeht, leitet Baur ein „starkes Erkenntnisinteresse”: Geschichte ist gerade darin „theologische Geschichte, daß sie in dem Menschlichen des geschichtlichen Geschehens Gott wirken sieht in der Idee, in der sich Göttliches und Menschliches verbinden” (S. 143).
Das brachte Baur und der jüngeren Tübinger Schule von der Seite der lutherischen Theologen den Vorwurf des Pantheismus ein (S. 141). Die in den „Theologischen Jahrbüchern” versammelten Autoren sind deswegen mit Ausnahme Zellers und Baurs fast alle aus der theologischen Karriere verdrängt worden (S. 242).
Siehe auch Monographien zur jüngeren Tübinger Schule (SWB), Aufsätze zur jüngeren Tübinger Schule (IxTheo), Monographien über Ferdinand Christian Baur (SWB), Aufsätze über Ferdinand Christian Baur (IxTheo) und Monographien über Eduard Zeller (SWB).
Beispielaufsätze:
- Albert Schwegler: „Die neueste Johanneische Litteratur”;. – In: Theologische Jahrbücher. – 1. 1842, 2, S. 288-309
- Zeller, Eduard: „Die Theologie der Gegenwart und die theologischen Jahrbücher”. – In: Theologische Jahrbücher. – 5. 1846, 1, S. 1-28
- Wirth, U.: „Christliche Ethik von Dr. G.C.A. Harless. Stuttgart 1842. (Zweite, unveränderte Auflage 1844) 2 fl. 30 kr.”. – In: Theologische Jahrbücher. – 4. 1845, 1.- S. 100-120